30.07.2010

Rücktrittsmanifest

In der Zeit der Massenrücktrittswellen fühlen sich auch die Linkshirnextremist_innen genötigt, eine allgemeine Rücktrittsordnung vorzuschlagen.

I. Allgemeines zu Rücktritten
Rücktritte sind gerade sehr modern, und ähnlich wie die Farbe Schwarz (auch "Gegenpink" genannt) kommen Sie selten aus der Mode, und wenn doch, sind sie schnell wieder IN.
Hierbei ist egal wer zurücktritt, denn der Rücktritt an sich gilt aus linkshirniger Sicht immer als die Krone der politischen Arbeit. Durch mehr Rücktritte von Politikern steigt die Chance von holperigen Amtsnachfolgephasen, welche eine mehr oder weniger lange Phase des Chaos und der Handlungsunfähigkeit versprechen, und somit auch von Diskordiern begrüßt werden dürften.
Genau aus diesen Gründen müssen geordnete Rücktritte, bei denen die politische Nachfolge schon Monate im Voraus feststeht, als die einzige Art der "schlechten Rücktritte" gelten, obwohl der Ausdruck "schlechter Rücktritt" schon in sich kontradiktorisch ist. Niemand sollte gezwungen werden, länger als er mag in der Politik tätig zu sein.


II. Die Güte des Rücktritts
Reziprok zu den Wesensmerkmalen eines "schlechten Rücktritts" (Siehe Römisch I) ist ein Rücktritt als um so besser anzusehen, je überraschender und ungeordneter er vonstatten geht. Dies gilt aus einer Reihe von Gründen:

1.) Staunt der Betrachter und der Zuschauer wundert sich, wenn jemand, der sich in seinem politischen Amt wohl und gut aufgehoben zu finden scheint, plötzlich zurücktritt.
2.) Sorgt ein eventuell entstehendes Machtvakuum für weitere Unterhaltung aus sich selbet, und sorgt mit größerer Wahrscheinlichkeit für eine chaotische Übergangsphase.
3.) Chaotische Übergangsphasen können gut oder schlecht sein, sind aber zumindest immer eine Abwechslung, und manchmal sogar spannend.
4.) Bringt ein überraschender und ungeahnter Rücktritt die anderen Politiker mal ordentlich auf Zack, und reißt sie vielleicht sogar für eine gewisse Zeit aus ihrem Trott.
5.) Aus dem Trott gerissen zu werden, fördert das Nachdenken über das eigene Tun, und sorgt eventuell für eine Neubewertung der Lage.
6.) Aus dem Trott gerissen zu werden hat sich in einigen Fällen auch als hervorragendes Mittel gegen Betriebsblindheit erwiesen.

Als Rücktritt mit der höchsten Güte muss anhand oben aufgeführter Gründe der überraschende Rücktritt von Horst Köhler zählen, der Rücktritt minderer Güte ist der von Roland Koch, da dieser zu lang vorher angekündigt wurde.

III. Rücktrittbrettfahrer
Eine zu baldige Nachahmung durch andere Politiker nach einem Rücktritt erster Güte, ist zwar an sich auch wünschenswert, allerdings geht die ursprüngliche Durchschlagskraft bei zu schneller Nachahmung verloren.
Ein Rücktrittbrettfahrerrücktritt kann in so fern nie die gesellschaftlich-politische Durchschlagskraft des initialen Rücktritts erreichen. Hier bietet sich an, die Rücktritte über größere Zeiträume zu verteilen, da der Bürger sich ansonsten an Rücktritte zu sehr gewöhnt.
Sollten zwei Politiker zeitlich nah beieinander amtsmüde werden, so sollten sie sich zumindest absprechen, um am gleichen Tag zurückzutreten, da ein Doppelrücktritt eine besondere Wirkung besitzt.

IV. Rücktrittswellen
Für Rücktrittswellen muss das gleiche gelten wie für Rücktrittbrettfahrer. Tröpfeln die Rücktritte über ein Jahr verteilt langsam aber zeitlich recht nah vor sich hin, wird die positive Wirkung mit jedem Rücktritt immer geringer.
Kommt es hingegen zu einem zeitlich genau abgestimmten Massenrücktritt verschiedenster Amtsträger, sorgt dies auch für die anhaltende Verblüffung der Medien sowie Politik.
(Um einen Massenrücktritt zu organisieren, kann ein kommissarischer Rücktrittleiter ernannt werden.)


V. Idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt
Generell gilt: Wenn man Sie zu einem Rücktritt auffordert, ist der ideale Rücktrittszeitpunkt bereits verstrichen. Versuchen Sie vorher zurückzutreten, am besten zu einem Zeitpunkt, wo alle Ihnen mindestens noch "ganz gute Arbeit" bescheinigen, oder früher.
Lassen Sie sich vom Verstreichen des idealen Zeitpunkts jedoch nicht von einem späteren Rücktritt abhalten. Immerhin ist der Ausdruck "schlechter Rücktritt", wie erwähnt, fast schon ein Widerspruch in sich.

VI. Rücktrittsrecht außerhalb der Politik
Auch Fernsehmoderatoren, Wirtschaftsspitzen, Sportler, Musiker, Formel1-Fahrer und andere Menschen im Licht der Öffentlichkeit haben das Zeug dazu, mit einer gewissen gesellschafts-politischen Durchschlagskraft zurückzutreten.
Ein zurücktretender Fernsehmoderator oder Sänger sorgt dabei jedoch wohl nur für bedingtes Chaos unter seinen Fans, während die Öffentlichkeit selbst wohl nur für einen kleinen Moment ratlos oder verblüfft sein wird.
Personen außerhalb des Lichtes der Öffentlichkeit werden nur ihren engeren Bekanntenkreis mit einem Rücktritt schocken. (Siehe hierzu: "Oma stampft nicht mehr".)

VII. Rücktrittbremse
Eine Rücktrittbremse kann nur in dem Falle von einem Nutzen für die Menschheit sein, indem sie dazu benutzt wird, aus mehreren Rücktrittbrettfahrern einen Doppelrücktritt zu machen, oder aus einer Rücktrittswelle eben einen Massenrücktritt.
Ansonsten sprechen wir uns eher für ein Rücktrittsbeschleunigungsgesetz aus.

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